OGH: E-Mail im Spam-Ordner gelten als zugegangen
In der Entscheidung 3 Ob 224/18i vom 20.02.2019 hat der OGH unter anderem die Rechtsfrage gelöst, ob eine E-Mail, die im Spam-Ordner gelandet ist und deshalb vom Empfänger unbemerkt blieb, als zugegangen gilt. Der OGH hat diese Frage mit Ja beantwortet:
Ausgangspunkt war ein Rechtsstreit zwischen einem Ehepaar und einen Immobilienmakler hinsichtlich der mangels Zahlung eingeklagten Maklerprovision. Ein Mitarbeiter des Maklerbüros hatte am 18.08.2016 nach einem vorangegangenen Telefongespräch die E-Mail mit umfangreichen Informationen laut FAGG und KSchG an die vom Ehepaar angegebene E-Mail-Adresse verschickt.
Die vom Ehemann 11 Tage später, im Telefongespräch vom 29.08.2016, nochmals gewünschte E-Mail, erlitt dasselbe Schicksal. Der Algorithmus für den Spam-Ordner schlug wieder zu. Im Telefongespräch war auch ein Besichtigungstermin für den 02.09.2016 vereinbart worden. Bei diesem Termin war das Ehepaar von einem Mitarbeiter des Maklerbüros auf die beiden E-Mail im Spam-Ordner hingewiesen worden.
Direkter Kauf des mit Makler besichtigten Reihenhauses plus Rücktritt vom Maklervertrag
Eine Wochen nach dem Besichtigungstag schloss das Ehepaar direkt mit dem Verkäufer den Kaufvertrag über das Reihenhaus. In der Folge traten die beklagten Ehegatten am 16.09.2016 vom Maklervertrag zurück, und wollten unter Hinweis auf den rechtzeitigen Rücktritt die Maklerprovision nicht bezahlen. Für den Rücktritt ist vom Maklervertrag ist für Verbraucher eine Frist von 14 Tagen gesetzlich vorgesehen, über das die Verbraucher aufzuklären waren. Diese Information stellt eine Bedingung für den Fristenlauf dar. Ohne übermittelte Aufklärung läuft das Rücktrittsrecht nicht ab.
Eine Mitteilung gilt laut OGH grundsätzlich dann als zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt: „Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den Machtbereich des Empfängers ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Mailbox des Empfängers jedenfalls dann zu seinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist“. Sobald ein Abruf durch den Empfänger möglich ist, gilt die E-Mail als zugegangen (RIS-Justiz RS0123058). Eine tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts durch den Empfänger ist nicht nötig, es genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
Ein Maklervertrag war spätestens mit der Vereinbarung des Besichtigungstermins am 29.08.2016 schlüssig abgeschlossen worden. Die über das Rücktrittsrecht aufklärende E-Mail war bereits am 18.08.2016 und nochmals am 30.08.2016 laut den Feststellungen des Gerichts beim Ehepaar eingelangt und galten mit diesem Tag folglich auch – obwohl nicht gesehen – als dem Ehepaar rechtswirksam zugegangen.
Das Berufungsgericht und in der Folge der OGH (der die ordentliche Revision zurückgewiesen hat) kamen zu einer anderen Rechtsansicht als das Erstgericht, das die Klage auf Vermittlungsprovision noch abgewiesen hatte. Die bindende höchstgerichtliche Entscheidung, das Urteil des Berufungsgerichts nicht zu korrigieren, mündete in einer Zahlungspflicht beider beklagten Ehegatten. Sie haben – da sie den gegen sie angestrengten Prozess verloren haben – auch die gesamten Verfahrenskosten und die tarifmäßigen Kosten des die Klägerseite vertretenden REchtsanwaltes, sowie die Kosten für ihren eigenen Rechtsanwalt zu tragen.
Weitere Hinweise:
Ob und wann eine E-Mail dem Empfänger tatsächlich zugestellt wurde, lässt sich in der Praxis nur sehr schwer beweisen. Denn selbst eine (automatisierte) Übermittlungsbestätigung ist keine Garantie dafür, dass eine E-Mail tatsächlich auf dem Server des Empfängers eingelangt ist – ebensowenig übrigens auch das „OK“ einer Telefaxübermittlung.
Im konkreten Fall wurde jedoch nie bestritten, dass die E-Mails grundsätzlich eingelangt sind, sie seien lediglich in einem„falschen“ Ordner gelandet, sodass das Ehepaar als Empfänger die E-Mail nicht bemerkte.
Das reicht jedoch aus, um den Lauf einer Frist – hier jener für den gesetzlich vorgesehenen Rücktritt – auszulösen. Es empfiehlt sich daher, regelmäßig den Spam-Ordner zu kontrollieren. Ansonsten könnten unerwartete Rechtsfolgen ins Haus stehen – unabhängig von jeglichem Reihenhaus.
Ihr Dr. Dominik Kocholl