Für die Beachtlichkeit eines Motivirrtums ist es weder nach der alten noch nach der neuen Rechtslage notwendig, dass der Erblasser seinen Beweggrund in der letztwilligen Verfügung „angegeben“ hat
Der Oberste Gerichtshof stellt dazu in 2 Ob 41/19x vom 19.09.2019 klar, dass sich entgegen den (unverständlichen) Erläuterungen des Gesetzgebers an der gesetzlichen Regelung des Motivirrtums bei der gewillkürten Erbfolge inhaltlich nichts geändert hat, weshalb die bisherige Rechtsprechung weiterhin zur Anwendung gelangt.
Die Erblasserin hatte in einem Testament aus dem Jahr 1989 ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt. In einem notariellen Testament aus dem Jahr 2009 widerrief sie diese Anordnung und setzte ihre Nichte zur Alleinerbin ein. Dem Notar erklärte sie diese Maßnahme damit, dass ihr Ehemann eine Freundin habe und sie verhindern wolle, dass diese über ihren Ehemann zu ihrem Vermögen gelange. Dabei ging sie von der unrichtigen Annahme aus, dass ihr Ehemann ein Verhältnis mit der Nachbarin habe.
Im Verfahren über das Erbrecht bestritt der Ehemann die Gültigkeit des jüngeren Testaments ua wegen eines Motivirrtums.
Das Bezirksgericht Hall in Tirol stellt als erstinstanzliches Gericht das Erbrecht des Ehemanns fest, wobei es von einem beachtlichen Motivirrtum ausging. Das Rekursgericht widersprach dieser Auffassung. In den Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 2015 habe der Gesetzgeber klargestellt, dass der Beweggrund in der letztwilligen Verfügung angegeben werden müsse und sich von der gegenteiligen Rechtsprechung distanziert.
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidung des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgerichts zur Erledigung der Verfahrens- und Beweisrügen auf. Seiner Begründung nach lässt sich weder aus der im Anlassfall anzuwendenden „alten“ noch nach der inhaltlich völlig unveränderten neuen gesetzlichen Regelung die Notwendigkeit ableiten, dass für die Beachtlichkeit eines Motivirrtums der Beweggrund in der letztwilligen Verfügung angegeben sein muss. Es genügen daher auch die Äußerungen der Erblasserin gegenüber dem Notar. Die gegenteiligen Erläuterungen des Gesetzgebers in den Materialien sind insofern unverständlich und irrelevant, weil sie im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden haben. Sie sind auch nicht als authentische Interpretation der alten Rechtslage zu verstehen.
Zur rechtlichen Beurteilung durch den OGH:
1. Da die Erblasserin nicht nach dem 31. 12. 2016 verstorben ist, ist die hier maßgebliche Bestimmung des § 572 ABGB in der vor dem Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) geltenden Fassung anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).
2. § 572 ABGB in der hier anzuwendenden Fassung lautet:
„Auch wenn der von dem Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird, bleibt die Verfügung gültig; es wäre denn erweislich, dass der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrunde beruht habe.“
3. In der Rechtsprechung dazu ist Folgendes anerkannt:
Ein Irrtum im Beweggrund macht die Verfügung nur dann ungültig, wenn erweislich ist, dass der Wille des Erblassers „einzig und allein“ darauf beruhte. Das Gesetz stellt hier an den Nachweis des Kausalzusammenhangs besonders strenge Anforderungen; es schneidet die Erörterung darüber, ob gerade jener Beweggrund, der sich als irrig erweisen lässt, der entscheidende war, dadurch ab, dass es außer dem Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der irrigen Vorstellung über den Beweggrund den Nachweis der Ausschließlichkeit verlangt (RS0012420; RS0012445 [T3]). Zumindest darf kein anderes wesentliches Motiv – als nicht ausschließbar – übrig bleiben (RS0012420 [T3]; vgl auch RS0012439). Der (bloße) Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer irrtümlichen Vorstellung des Erblassers und der letztwilligen Verfügung reicht hingegen nicht aus (RS0012445; vgl auch RS0012446). Auch Motivirrtümer über Zukünftiges können erheblich sein (RS0012432). Der das Testament bestreitende Erbansprecher hat zu beweisen, dass einzig und allein das irrige Motiv für die Willensbildung des Erblassers maßgeblich war (RS0012443).
Ob der Beweggrund in der letztwilligen Verfügung genannt („angegeben“) ist, ist irrelevant (10 Ob 2/06a; 6 Ob 168/13v jeweils mwN aus der Lehre).
4. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt würde bedeuten, dass das jüngere Testament wegen des Motivirrtums der Erblasserin, ihr Mann werde die Nachbarin zur Erbin bestimmen, wodurch diese an ihr Vermögen komme, gemäß § 572 ABGB unwirksam wäre: Dies wäre das einzige Motiv gewesen, denn zum weiteren von der Erstantragstellerin behaupteten Motiv (Lieblosigkeit des Zweitantragstellers) lägen gegenteilige Feststellungen vor. Dass der Motivirrtum (möglicherweise) Zukünftiges betroffen hätte (letztwilliges Bedenken der Nachbarin durch den Zweitantragsteller), schadete nicht. Ebenso wäre irrelevant, dass die Erblasserin das Motiv nicht im Testament genannt, sondern beim Notar „angegeben“ hat.
5. Da das Rekursgericht für seine Rechtsansicht den Wortlaut des § 572 ABGB idF ErbRÄG 2015 – ungeachtet dessen Nichtanwendbarkeit – sowie die Gesetzesmaterialien dazu herangezogen hat und sich auch die Parteien in ihren Rechtsmittelschriften im Revisionsrekursverfahren damit auseinandersetzen, ist auch darauf einzugehen:
5.1. § 572 ABGB idF ErbRÄG 2015 lautet:
„Auch wenn sich der vom Verstorbenen angegebene Beweggrund als falsch herausstellt, bleibt die Verfügung gültig, es sei denn, dass sein Wille einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht hat.“
Ein Vergleich mit der oben zitierten vorherigen Fassung zeigt, dass die Norm bloß sprachlich angepasst (zB „Verstorbener“ statt „Erblasser“), aber inhaltlich nicht verändert wurde (zur Entstehungsgeschichte der Norm vgl auch Fischer/Czermak, § 572 ABGB: „Heimliche“ Rechtsänderung durch das ErbRÄG 2015? EF-Z 2017, 64; Aigner, Das ErbRÄG 2015 und seine Auswirkungen auf die allgemeine Auslegungsregel und das Irrtumsrecht, NZ 2018, 121 [125–127]).
5.2. In den Materialien zu § 572 ABGB (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 9) heißt es dazu:
„Diese Bestimmung regelt die Beachtlichkeit des Motivirrtums. Dabei hält der vorliegende Entwurf auf Grund der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens weitgehend am bisherigen Recht fest. Es soll aber klargestellt werden, dass der Beweggrund in der Verfügung ‚angegeben‘ sein muss, um beachtlich zu sein (anders OGH 10 Ob 2/06a). Weiterhin soll es darauf ankommen, dass der Wille des Verstorbenen ‚einzig und allein‘ auf einem irrigen Beweggrund beruht hat; einfache Kausalität soll nicht genügen (vgl. Eccher in Schwimann/Kodek4 § 572 Rz 3). Die übrigen Änderungen sind sprachlicher Natur.“
5.3. Die Materialien sind insofern unverständlich, als – wie ausgeführt – die Norm inhaltlich unverändert geblieben ist, sodass nicht erklärlich ist, inwiefern hier klargestellt worden sein sollte, dass das Motiv in der Verfügung angegeben sein müsse. Aus dem Gesetzeswortlaut ist dieses Verständnis weder in der alten noch in der neuen Fassung zwingend, heißt es doch nicht „der vom Erblasser in der Verfügung angegebene Beweggrund“.
Dazu kommt, dass die Gesetzesmaterialien nicht Gesetz sind und dieses auch nicht authentisch interpretieren (RS0008799 [T3]). Nach dem klaren Wortlaut des § 8 ABGB und der Rechtsprechung kann die authentische Interpretation eines Gesetzes nur durch eine Erklärung des Gesetzgebers vorgenommen werden, die sich als Gesetz darstellt und auch als Gesetz kundgemacht worden ist (RS0008905 [T3]). Davon, dass die zitierten Materialien eine rückwirkende authentische Interpretation wären (wie die Erstantragstellerin meint), kann somit keine Rede sein (so auch mit eingehender Begründung Fischer-Czermak, § 572 ABGB: „Heimliche“ Rechtsänderung durch das ErbRÄG 2015? EF-Z 2017, 64; Fischer-Czermak/Pierer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 [Klang] §§ 570–572 Rz 36; Aigner, Das ErbRÄG 2015 und seine Auswirkungen auf die allgemeine Auslegungsregel und das Irrtumsrecht, NZ 2018, 121 [125–127]; im Ergebnis aA Kerschner, Zum Motivirrtum beim Testament nach altem und neuem Recht – Zugleich eine Besprechung von OGH 15. 5. 2014, 6 Ob 168/13v in FS Eccher [2017] 517 [526]). Eine Bindung an die Gesetzesmaterialien bei Auslegung eines Gesetzes besteht generell nicht (RS0008799).
5.4. Oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 572 ABGB idF ErbRÄG 2015 existiert bislang nicht. Jüngst hat zwar der 8. Senat die auch hier zu klärende Auslegungsfrage angesprochen, musste sie jedoch nicht beantworten (8 Ob 76/19p).
5.5. Der erkennende Senat sieht sich weder durch die zitierten Materialien noch durch die vom Rekursgericht und von Teilen der Lehre vorgetragenen Bedenken gegen die bisherige Rechtsprechung aus folgenden Erwägungen weder für die Rechtslage vor noch nach dem ErbRÄG 2015 veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen:
5.5.1. Entgegen der Behauptung mancher Autoren (Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 572 Rz 3; Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden – Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002, 193 [196]) widerspricht die Rechtsprechung dem Gesetzeswortlaut nicht (so auch Kerschner in FS Eccher 521), weil – wie ausgeführt – dieser nur verlangt, dass der Erblasser den Beweggrund „angegeben“ haben muss. Dass dies in der letztwilligen Verfügung geschehen muss, sagt das Gesetz nicht. „Angeben“ kann der Erblasser seine Motive auch anderswo, etwa wie hier beim Notar oder in sonstigen Gesprächen oder auch schriftlichen Aufzeichnungen.
5.5.2. Im Erbrecht soll grundsätzlich dem wahren letzten Willen des Erblassers zum Durchbruch verholfen werden (RS0012370; RS0012238; „Willenstheorie“: RS0012370 [T3]). Die bestehende Rechtsprechung erreicht dieses Ziel eher, weil der Motivirrtum auch dann zu berücksichtigen ist, wenn das Motiv in der Verfügung nicht genannt ist (in diesem Sinn auch Aigner, Der Irrtum des Erblassers, NZ 2011, 193 [201]).
Nach § 553 Satz 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 muss zwar bei Auslegung letztwilliger Verfügungen der wahre Wille des Verstorbenen im Wortlaut der Verfügung zumindest angedeutet sein (vgl schon zum alten Recht die „Andeutungstheorie“: RS0012372; RS0012340 [T4, T7]).
Dieser Umstand steht allerdings der Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung auch zum neuen Recht nicht entgegen. Bei der Frage der Beachtlichkeit des Motivirrtums geht es nämlich nicht um die in § 553 ABGB geregelte Auslegung der letztwilligen Verfügung, denn der wahre Wille des Testators über das Verfügte (eine bestimmte Erbseinsetzung) ist ja nicht zweifelhaft. Vielmehr geht es um die nicht von der Testamentsauslegung abhängige Erforschung eines möglichen, kausalen Motivirrtums des Erblassers.
5.5.3. Die vom Rekursgericht (im Gefolge von Stefula/Thunhart, NZ 2002, 196) geäußerte Befürchtung, die Bestandskraft des letzten Willens könnte durch falsche, aber schwer zu widerlegende Behauptungen gefährlich beeinträchtigt werden, ist unberechtigt, weil – wie ausgeführt – die gesamte Beweislast bei Anfechtung eines Testaments wegen Motivirrtums nach § 572 ABGB beim Anfechtenden liegt (RS0012443). Daher müssen nicht dessen Behauptungen widerlegt werden, sondern er muss sie beweisen.
5.5.4. Auch ein Widerspruch zu der zu § 725 Abs 1 Satz 1 ABGB idF ErbRÄG 2015 bereits ergangenen Rechtsprechung liegt nicht vor:
Mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen werden nach dieser Bestimmung davor errichtete letztwillige Verfügungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn, dass der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat.
Der erkennende Senat hat in Übereinstimmung mit den Gesetzesmaterialien und der überwiegenden Lehre aus diesem Gesetzeswortlaut unter Hinweis auf § 553 ABGB gefolgert, der Wille des Erblassers, eine während aufrechter Ehe, eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft errichtete letztwillige Verfügung solle betreffend den Partner auch im Fall der Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen aufrecht bleiben, müsse sich aus der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ergeben und daher in deren Wortlaut zumindest angedeutet sein (2 Ob 192/18a; 2 Ob 43/19s; jeweils mwN; RS0132603).
Diese Rechtsprechung zu § 725 ABGB nF steht mit der bisherigen Rechtsprechung zu § 572 ABGB über die Beachtlichkeit des Motivirrtums nicht im Widerspruch, weil sich insofern der Gesetzeswortlaut beider Bestimmungen maßgeblich voneinander unterscheidet: Während § 572 ABGB sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung vom (bloß) „angegebenen Beweggrund“ spricht, verlangt § 725 Abs 1 ABGB für das Weitergelten der letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehegatten etc nach Auflösung der Ehe etc, dass der Verstorbene „ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat“.
5.5.5. Schließlich entspricht die bisherige Rechtsprechung zu § 572 ABGB auch der ganz herrschenden Lehre zum alten Recht (Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts II/2² [1937] 415; Weiß in Klang III² [1952] 286; Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht³ [1983] 106; Weiß/Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 129; Aigner, Der Irrtum des Erblassers, NZ 2011, 193 [200 f]; Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 572 Rz 2 unter Hinweis auf GlU 15.173; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 572 Rz 3; Apathy in KBB4 §§ 570 bis 572 Rz 4; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz 2014; Fischer-Czermak/Pierer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 [Klang] §§ 570–572 Rz 21; aA Stefula/Thunhart, NZ 2002, 196).
Die Lehre zur neuen Rechtslage ist geteilt:
Für ein Verständnis im Sinne der bisherigen Rechtsprechung treten Fischer-Czermak (EF-Z 2017, 64), Fischer-Czermak/Pierer (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 [Klang] §§ 570–572 Rz 36), Aigner (NZ 2018, 121 [125 ff) und Welser (Erbrechtskommentar § 572 Rz 6) ein. Sogar die am ErbRÄG 2015 maßgeblich beteiligten Legisten Barth/Pesendorfer (Erbrechtsreform 2015, § 572 Anm 1), führen aus, aus dem Text ergebe sich nicht, dass der Beweggrund „in der Verfügung“ angegeben sein müsse, wie das die Erläuterungen nahe legten. Die Änderungen seien vielmehr nur sprachlicher Natur. Da die Beweislast ohnehin die Person treffe, die den Motivirrtum behaupte, bedürfe es keiner derartig einschränkenden Auslegung.
Den Materialien folgen hingegen Apathy/Neumayr (KBB5 § 572 Rz 4), Eccher (Erbrecht6 Rz 4/26), derselbe (Erbrechtsreform Rz 36), Kerschner (in FS Eccher 526), Knechtel (in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.03 § 572 Rz 2), Gruber/Sprohar-Heimlich/Scheuba (in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge2 § 17 Rz 47) und offenbar auch Eccher/Nemeth (in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 572 Rz 1 [vgl jedoch Rz 3]). Diesen Autoren ist jedoch nicht zu folgen, weil sie nicht hinreichend (oder unzutreffend [Kerschner]) die unter Punkt 5.3. dargestellte Irrelevanz der Gesetzesmaterialien bei der vorliegenden Gesetzesauslegung berücksichtigen und im Übrigen keine Sachargumente vorbringen.
5.6. Zusammengefasst wird somit festgehalten:
Zur Beachtlichkeit eines Motivirrtums iSd § 572 ABGB (sowohl idF vor dem ErbRÄG 2015 als auch idF ErbRÄG 2015) ist es nicht notwendig, dass der Erblasser (Verstorbene) seinen Beweggrund in der letztwilligen Verfügung „angegeben“ hat.
6. Auf der Basis der erstgerichtlichen Feststellungen wäre somit die Sache spruchreif im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts (vgl Punkt 4.). Die Erstantragstellerin hat aber in ihrem Rekurs Verfahrensmängel, eine Aktenwidrigkeit sowie unrichtige Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung gerügt. Das Rekursgericht hat auf der Grundlage seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht diese Rügen nicht erledigt. Jedenfalls die Beweisrüge ist entscheidungsrelevant, weil die Erstantragstellerin dort – abweichend von den erstgerichtlichen Feststellungen – (zusammengefasst) Feststellungen begehrt, wonach die Erblasserin neben dem vom Erstgericht festgestellten (irrigen) Motiv noch andere „gerechtfertigte“ Gründe für die Einsetzung der Erstantragstellerin zur Alleinerbin gehabt habe.
Sollte dies festgestellt werden, wäre das jüngere Testament nicht schon gemäß § 572 ABGB hinfällig. Erst dann käme es weiters auf die ebenfalls strittige Testierfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung des jüngeren Testaments an, wozu Feststellungen fehlen.
Sollte es hingegen bei den Feststellungen des Erstgerichts bleiben, wäre der erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen. Diesfalls müsste das Rekursgericht auch über den Kostenrekurs der Erstantragstellerin absprechen.
Da somit das Rekursverfahren im aufgezeigten Sinn ergänzungsbedürftig ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 185, 78 Abs 1 AußStrG.